In dem folgenden Text möchten wir gerne die letzten Tage des Marquis Jean Claude François de Villeneuve näher betrachten, als wir dies in unserem Buch "Villeneuve" bereits taten. Der Marquis stand damals als hochdekorierter General in Diensten der Republik Venedig und nannte sich dort "Marchese di Villanova". Im Sommer 1661 war er mit dem Reifenbergischen Diener Jakob Anklam in Venedig angelangt, um dort seine neuen Befehle zu erhalten. Anklam war mittlerweile zum Oberst aufgestiegen. In Venedig trafen die beiden auf den deutschen Freiherrn Christoph von Degenfeld. Villeneuve freundete sich mit Degenfeld an und reiste fortan bis zu seinem Tode mit ihm weiter. Die letzten Wochen vor seinem Tode waren sehr ereignisreich und deshalb möchten wir hier nur einen kleinen Teil davon anführen.
Am 12. Juni 1662 erlebte Villeneuve mit seinem Freunden auf der Insel Kefalonia ein schweres Unwetter. Sie waren bereits seit Ende Mai auf der Insel und während des schweren Gewitters hagelte und regnete es so stark, dass das Wasser schnell sehr hoch stand und sie nur mit viel Glück aus ihren Häusern entkamen. Draußen mussten sie sich sogar auf Bäume retten1).
Am 13. Juni kam auf Kefalonia der venezianische Proveditor General mit mehreren Galeeren an. Francesco Mocenigo war Befehlshaber über die ionischen Inseln Kefalonia, Korfu und Zakynthos und trug den zweithöchsten Rang der venezianischen Armee. Er nahm zunächst etlichen Banditen fest und ließ sie aufhängen. Ein alter, mehrfach verbannter, griechischer Priester bat Mocenigo darum, dass dieser ihn ebenfalls aufhängen solle. Aber stattdessen setzte er ihn auf ein kleines Schiff und ließ ihn ins Königreich Morea (die Halbinsel Peloponnes) bringen.

Die Insel Zante, das heutige Zakynthos. Gezeichnet von Freiherr Christoph von Degenfeld im Jahre 1670.
Am 21. Juni segelte Villeneuve mit Degenfeld auf dem Schiff des Proveditor Generals nach Zante, dem heutigen Zakynthos.
Am Tag zuvor, dem 20. Juni 1662, war der päpstliche Gesandte der maltesischen und päpstlichen Flotte, Giovanni Bichi, auf Zante gewesen. Bichi war nicht nur der höchste Militärbefehlshaber der päpstlichen Flotte, sondern auch der Großprior der Malteserritter. Er war zudem der Sohn der Schwester des damaligen Papstes Alexander VII.

Der Nuntius von Köln, Fabio Chigi,
Onkel von Großprior Giovanni Bichi
und späterer Papst Alexander VII.
Quelle: Wikipedia
Bichi hatte auf Zante einen "Handel" mit den Venezianern abgeschlossen. Die Mannschaft des Kapitäns Lorenzo Coronaro hatte im letzten Jahr den Malteserrittern ein von ihnen zuvor erobertes türkisches Schiff abgenommen und die halbe maltesische Mannschaft dabei über Bord geworfen. Dafür wurden sie schwer bestraft und das Schiff sollte wieder den Maltesern übergeben werden, was jetzt endlich auf Zante, über sechs Monate später, stattgefunden hatte.
Bichi zeigte sich gegenüber den Bewohnern von Zante wegen der Übergabe des Schiffes großzügig und gab dem anwesenden Bischof, Francesco Gozzadini, deshalb Gelder und Mittel zur Renovierung der dortigen Sankt Markus Kirche2). Francesco Gozzadini war seit 1654 Bischof von Zante und Kefalonia. Ihm muss diese Unterstützung für die Sankt Markus Kirche sicher sehr recht gewesen sein.
Nur einen Tag nach der Abreise Bichis war die Flotte Mocenigos mit Villeneuve und Degenfeld nach Zante gekommen. Am 25. Juni erkrankte Villeneuve schwer.
Wie man nur von Degenfelds Bericht weiß, kehrte Großprior Bichi bereits am 5. Juli erneut nach Zante zurück. Er wollte mit dem kranken Villeneuve sprechen. Dies war aber keine Selbstverständlichkeit, denn Bichi war es gewesen, der 1658 bei einem geplanten Angriff der Venezianer auf die Stadt Canea auf Candia dafür gesorgt hatte, dass Villeneuve sein Kommando verlor. Statt Villeneuve erhielt damals der Malteserritter Gremonville den Vorzug. Dies führte zu einem solchen Zank zwischen den beiden, dass der Angriff schließlich scheiterte.
Trotz dieses Affronts durch Bichi erlaubte Villeneuve den Besuch, der am 10. Juli stattfand. Am Tag darauf reiste Bichi mit seiner Flotte ab, um sich mit der venezianischen Flotte zu treffen.
Am 9. August 1662 starb Villeneuve schließlich auf Zante. Sein Freund Degenfeld schreibt, dass er in der Sankt Markus Kirche begraben wurde, nachdem man ihm einige Körperteile entnommen hatte, was damals aber nicht unüblich war.
Durch die Abfolge dieser Ereignisse muss man davon ausgehen, dass die Beerdigung General Villeneuves bzw. Villanovas mit der Stiftung von Bichi an die Sankt Markus Kirche zusammenhing und nach Absprache mit Bischof Gozzadini erfolgte. Eventuell wollte Bichi noch etwas von 1658 gut machen und Villeneuve damit einen würdigen letzten Ruheplatz verschaffen.
Die Sankt Markus Kirche ist seitdem mehrfach umgebaut und ausgebaut worden. Allerdings wurde sie 1953 bei einem schweren Erdbeben völlig zerstört und danach neu aufgebaut. Von Bischof Gozzadini lagen noch 1863 handschriftliche Unterlagen im Archiv der "lateinischen" Kirche Sankt Markus vor3). Ob diese Notizen jedoch das Erdbeben von 1953 und die Zerstörung der Kirche und des Archivs überdauert haben, ist eher fraglich.
Da sowohl Großprior Bichi als auch der Bischof Gozzadini an Villeneuves Beerdigung in der Kirche beteiligt gewesen sein müssten, dürfte es möglich sein, dazu in archivalischen Unterlagen des Vatikans noch etwas zu finden.
Bei Recherchen nach Überbleibseln von Villeneuve vor Ort, entdeckte PFORA-Vorstandsmitglied Peter Schneikert auf Zakynthos zwei Grabfragmente in der Sankt Markus Kirche, die einen Bischofshut mit 12 Quasten zeigen. Dies führte dazu, dass wir die Geschichte mit Bischof Gozzadini und auch Bichi sowie dessen Stiftung für die Sankt Markus Kirche entdeckten. Der Direktor des Solomos-Museums, welches sich neben der Sankt Markus Kirche befindet, zeigte sich zudem an eigenen Forschungen sehr interessiert und bat um detailliertere Informationen, die wir nun zusammengestellt haben.
Brief "Filipo Lodovico Barone di Reiffenberg" an den Nuntius von Köln, "Fabio Chesi" (Chigi) von 1642. Quelle: HHStAW 333 - 1844
Erwähnenswert ist noch folgendes: wie man oben sehen kann, war Großprior Bichi der Neffe des damaligen Papstes Alexander VII, dessen weltlicher Name Fabio Chigi war. Fabio Chigi war bis 1642 auch päpstlicher Nuntius in Köln. Der Schwager Villeneuves, Philipp Ludwig von Reiffenberg, war bereits 1642 mit dem späteren Papst in Kontakt: es liegen mehrere Briefkopien aus dem Jahr 1642 vor, die an den "Nuntio Fabio Chesi" in "Colonia" aber auch an dessen Sekretär, den Kaplan "Giovanni Lorenzo della Ratta", adressiert sind. Über Chigi könnten daher auch die Kontakte zustande gekommen sein, die dazu führten, dass Villeneuve 1643 eine Schwadron für den damaligen Papst Urban VIII. befehligte.
Somit schließt sich mit dem Tode General Villeneuves auf Zakynthos ein Kreis, der sowohl den damaligen Großprior, wie auch Papst Alexander VII. in unmittelbare Nähe unserer Protagonisten von Burg Reifenberg und von Zakynthos rückte.
Artikel: Bernhard Kärtner
Quellen:
1) Die wichtigsten Informationen dieses Artikels stammen aus dem Reisetagebuch des Christoph von Degenfeld, welches im Original in der Landesbibliothek Karlsruhe vorhanden ist. Das Digitalisat kann hier gelesen werden.
2) Alberto Guglielmotti beschreibt dies alles 1892 in seinem Buch "Storia della marina pontifica", in dem der Geschichte des Großprior Bichi etliche Seiten gewidmet sind. Das Digitalisat findet man mehrfach bei Google Books, z.B. dieses hier.
3) Dies ist in "Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, Erste Sektion. A bis G" (1863) von Johann Samuel Ersch auf Seite 423 bezeugt.
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben!