Donnerstag Abend, 31.10.2019, es ist 19:32 Uhr. Bin wieder etwas spät, naja, wie meistens eigentlich.
Die ersten Teilnehmer der nun selbständig arbeitenden Lesegruppe (altdeutsche Schrift), die sich -weiterhin- nach Ende des offiziellen Kurses einmal im Monat trifft, sind schon da. Susi hat den Beamer und Laptop schon aufgebaut, ich schließe ihn noch an. Als wir den Lesekurs vor knapp 8 Wochen beendeten, beschlossen wir, dass wir die Gruppe irgendwie weiter fördern und fortführen möchten. Ich hoffte, dass wenigstens 2-3 Teilnehmer weiterhin kommen würden.
Denn es war immer gesellig, die Fortschritte waren jedesmal bei jedem gut erkennbar und wir hatten immer alle sehr viel gelacht. Beim ersten -freiwilligen Treffen- vor knapp 4 Wochen waren sogar 6 Personen der Gruppe wieder gekommen. Für den heutigen Termin hatte ich trotzdem mit etwas Schwund gerechnet. Aber es kam ganz anders: heute waren es sogar sieben, denn Marianne war auch wieder dabei (was mich besonders freute)!
Alle wollten an selbst-beigesteuerten Texten arbeiten, die wir über unseren neuen A3-Scanner eingescannt hatten. Wir hatten diesen -wie auch den Beamer- mit den Geldern der Bürgerstiftung finanzieren können. Da fragte mich doch Uli, ob sie noch jemanden zu ihrer eigenen Lesegruppe mitbringen dürfe. Ihre Freundin hätte sie gefragt, sie hätte auch Interesse. Natürlich darf sie, als ob man mich sowas noch fragen muss. :-) Jeder Geschichts-Interessierte ist bei uns willkommen. Ich war begeistert!
Die Gruppe teilte sich auf in zwei Teams. Die große Gruppe blieb im Besucherraum. Unsere Archivare Holger und Peter S. arbeiteten separat an einer Transkription des alten Kanonier-Rechnungsbuchs von 1909. Hintergrund: die Kanoniere feiern nächstes Jahr ihr 160-jähriges Jubiläum und das PFORA wird mit ihnen eine kleinere Festschrift erstellen.
Zurück ins Ortsarchiv:
Am Montag, den 25.10. hatte mich eine Monika K. aus Neu-Isenburg angeschrieben. Ihre Eltern wohnten früher in der Neugasse. Im Café Waldschmitt hatte sie unseren Flyer gesehen. Sie versprach uns diese Woche noch "Bild und Bücher" zukommen zu lassen. Sie hatte "... auch noch einen Umschlag mit Figürchen und Zigaretten-/Margarinebildchen drin. Stammen aus einer Kiste, in der meine Spielsachen aus den 50er Jahren waren."
Und sie hat noch Bilder aus den 30er und 40er Jahren in zwei Kisten, da Ihr Vater früher selbst viel fotografiert hatte. Wer sich für Archivalien und alte Reifenberger Bilder interessiert, mag sich vielleicht vorstellen, was mir so alles durch den Kopf ging! Vielleicht endlich ein Bild des alten Kriegerdenkmals? Unbekannte Ortsansichten? Egal wie, es ist jedesmal wie Weihnachten, zumindest für mich. Und ich weiß das auch von den anderen "Verrückten", die bei uns mitmachen.
Als ich ins Ortsarchiv eintrat, lagen bereits verschiedene Sachen auf dem Tisch ...
... aber nicht mal die Sachen von Monika K.
Es waren Perlenkränze, die Susi gestiftet hat.
Peter S. hatte uns Bilder und Materialien der Familien Rudolf und Schneikert mitgebracht.
Und Peter D. brachte neue Unterlagen von Alfred "Mordsches" Brendel mit. ("Mordsches" kommt übrigens von "Matthias" => "Maddsches"). Wir hatten bereits von der Familie u.a. ein altes Rechnungsbuch erhalten, dessen Eintragungen 1944 begannen. Hier konnte man nachlesen, was damals für den Einkauf der Metzgerei-Waren (Schwein, Rind, ...) bezahlt werden musste. Faszinierend. Nun waren noch ein Bild des früheren Rauchclubs Edelweiss, eine Ahnentafel der Brendels, mehrere Ausweise und eine kleines Kästchen dazu gekommen. In diesem Kästchen lagen kleine Keramik-Zierfiguren, die früher an die Oberreifenberger Perlenkränze geflochten wurden. Ein echter kleiner ortshistorischer Schatz! Und auch direkt "passend" zur aktuellen Stiftung der original Perlenkränze!
Also 4 (in Worten: vier) verschiedene Stiftungen an einem einzigen Tag. Und eine weitere war schon angekündigt!
Ich setzte mich an den Computer und spielte die neueste Version der frisch (mit Filtermöglichkeiten) optimierten Archiv-Datenbank ein. Heute wollte ich ja eigentlich Archivalien erfassen, aber ab und zu wurde ich in den Nebenraum gerufen, weil kleine eher PC-technische Hilfen beim Transkribieren gebraucht wurde. Aber dann schauten Peter D. und ich doch lieber mit leuchtenden Augen die "neuen" Sachen durch.
Peter zeigte mir gerade ein Bild von einer mir bisher völlig unbekannten, aber recht umfangreichen Dokumentation über die Kämpfe am Ende des zweiten Weltkrieg: Die letzte Schlacht im Taunus von Dr. Robert Krebs, Leiter des Geschichtsvereins Heusenstamm. Peter war mal ein paar Tage nicht da gewesen und entdeckte unsere neuen Bücher im Regal. Wolfgang Ettig hatte eine Woche vor unserem Feldbergrennen am 12.10. alle seine sechs Bücher vom Geschichtsverein Treisberg gestiftet. Dabei war u.a. auch das Buch über die "Die Treisberger Ofenplatte". "Oh, das ist ja interessant." sagte Peter zu mir. "Nimm einfach mit, dafür sind sie da." konnte ich nur entgegnen.
Susi, die die große Gruppe noch nebenbei etwas weiter betreute, packte zwischendurch ein neues dickes Buch aus: die Denkmaltopografie des Hochtaunuskreises, ein Katalog aller denkmalgeschützten Gebäude im HTK. Ebenfalls von Ihr gestiftet. Auch Reifenbergs entsprechende Gebäude sind darin alle verzeichnet. Eine ideale Ergänzung für unserer Bibliothek, die wächst und gedeiht.
Im Besucherraum: nur zwei Wörter hatte man nicht heraus bekommen. Ich musste selbst etwas rätseln, denn der Schreiber macht da schon ein sehr seltsames "a". Aber schließlich hatten wir den "Caspar" (Petri) und auch den (Anton) "Beudt" enträtselt. Wir diskutierten kurz darüber, ob es vielleicht derjenige Anton Beudt/Beuth gewesen war, der früher in der Untergasse das alte Pfarrhaus besessen hatte. Denn Corinas Urkunde, ein Arnoldshainer Grundbucheintrag von 1883, hätte zeitlich zu dem Namen gepasst. Er war es aber sicher nicht, denn die Beudt mit "dt" waren eher z.B. in Seelenberg oder Arnoldshain ansässig, während in Reifenberg die mit "th" lebten.
Die Urkunde hatten sie ansonst perfekt übersetzt. Ein tolles Ergebnis und der Beweis, dass sie ein super Team sind und keinen "Lehrer" mehr brauchen. Ohne mich blieben sie nun sogar noch freiwillig eine halbe Stunde länger, noch besser! *lach* ;-) Der nächste Termin der Lesegruppe steht auch schon, am Donnerstag 28.11. ab 19:30 Uhr.
Aber auch das "Kanonier-Team" war gut vorangekommen und hatte bereits zwei Seiten transkribiert. Witzigerweise schrieb man damals den Josef als "Josepf". Auf platt kannte man ja früher schon "de Josepp". Aber mit "f"? Naja, warum nicht, 1909 wurd's halt wohl so geschrieben, zumindest bei den Kanonieren. ;-)
Da zudem noch eine weitere Besucherin kam, waren also am Donnerstag Abend 11 Leute im PFORA von denen quasi 10 gearbeitet haben. Als mir das bewusst wurde, musste ich an unser Konzept denken, welches wir damals am 8.10.2018 ausgearbeitet hatten, um es dem Ortsausschuss der katholischen Kirchengemeinde Oberreifenberg vorzustellen.
Unsere Ziele waren damals:
• Bildung einer geschichtlichen Interessengemeinschaft
• Vorhandene Archivgut sortieren & ordnen
• Archivgut zugänglich machen
• Dokumentation von Stiftungen oder Leihgaben
• Regelmäßiger Treffpunkt („Lebendiges Archiv“)
• Archiv als zentrale Anlaufstelle für alle ortshistorische Fragen
Ich rechnete damals locker mit 2 Jahren bis wir halbwegs betriebsfähig wären.
Heute, etwas über ein Jahr später nach unserem Konzept, haben wir das -für mich- wichtigste Ziele bereits erreicht: es IST ein "lebendiges" Archiv entstanden. Wir SIND bereits Anlaufstelle geworden. Nächste Woche kommen zwei weitere Besucher aus Frankfurt. Einer möchte den Stammbaum seiner Familie Messer erforschen, da sie aus Niederreifenberg abstammen. Und der andere möchte nächstes Jahr den Schülern der Goetheschule (Landheim) lokalhistorisches aufzeigen. Karl will die Sache ebenfalls unterstützen. Er arbeitet gerade an einem weiteren Vortrag. Ein Hochtaunus-Jahrbuch 2019, in dem ein Beitrag von ihm über die Emilie Seipp und die Armut im Hochtaunus veröffentlicht wurde, hat er uns ebenfalls zuletzt gestiftet.
Erst seit dem 6.2.2019 existiert diese Interessengemeinschaft offiziell, also nicht mal ein 3/4 Jahr.
Aus einem Haufen jahrelang unberührter Kartons und Büro- und leeren Stahlschränken und Regalen, verteilt über zwei Räume, sind nun zwei getrennte Archive nebeneinander entstanden. Das Pfarrarchiv ist geordnet und vorsortiert. Bereit für die Archiv-Erfassung durch die 2 Archivare des Diözesanarchiv in Limburg.
Der Besucherraum ist komplett renoviert, die erste Vitrine dafür nun ebenfalls im Aussicht.
Aber auch unser Ortsarchiv "steht". Stühle, Schränke & Schreibtisch von Uwe Appel werden genutzt. Wir haben neue Regalböden eingebaut. An diesen Schränken hat einfach JEDER bei uns etwas gemacht. Aufstellung, Reparaturen, Sachen besorgen, zuschneiden, einbauen und einräumen. Mindestens acht Personen haben an diesem Schrank alleine schon in irgendeiner Art und Weise gearbeitet. Eigentlich 9, denn die Archivkartons darin haben wir von Hr. Maresch vom Kreisarchiv des Hochtaunuskreises bekommen.
Die Bibliothek füllt sich immer mehr mit interessanten, geschichtlichen Büchern und Dokumentationen.
Und es sind bereits viele Archivalien eingegangen. Fahnen von mindestens 3 Vereinen, Wappentafeln, etliche Fotos, Glasfotografien, Bilder, Bücher, ... alles Mögliche. Dabei schlummern noch so viele Kleinode in Kellern, Dachböden und Kisten in Reifenberg oder auch sonstwo.
Wir erfassen Archivalien und Literatur nun bereits mit einer selbst entwickelten Datenbank. Nächstes Jahr sind wir daher sicher soweit, dass wir das Ortsarchiv inklusive Findbuch im Besucherraum öffentlich zugänglich machen können.
Es ist eine Team-Leistung unserer Mitglieder, die sich seinesgleichen -heutzutage- suchen kann.
Das "lebendige" Archiv ... damals nur ein Wunsch ... heute -wenige Monate später- Wirklichkeit.
Durch viel Engagement und der Liebe zur Heimat, die noch in viel mehr Leuten steckt, als wir ahnen.
Aber auch ...
Dank der der katholischen Kirchengemeinde in Oberreifenberg und Anspach/Usingen
Dank der Bürgerstiftung und diversen Förderern
Und Dank allen Stiftern und Freunden des PFORA
Wir haben noch sehr viel geplant, ich freue mich auf nächstes Jahr!
Liebe Grüße,
Euer "Philu"
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